Jeder zehnte Mensch ist Linkshänder, bevorzugt also die linke Hand bei vielen Tätigkeiten. Was noch vor einigen Jahren teilweise zur „Umschulung“ zur Rechtshändigkeit führte, ist inzwischen kein großes Thema mehr. Linkshänder-Scheren und -Stifte sowie entsprechende Dosenöffner sollen das Leben von Linkshändern in einer Welt von Rechtshändern erleichtern. So weit, so gut. Doch wie steht es im Bereich der Maschinen- und Arbeitssicherheit um die Bedürfnisse der Linkshänder?
Händigkeit und Maschinensicherheit
Linkshändigkeit stellt „eine Normvariante der biologischen Entwicklung der Lateralität im Gehirn dar, die im Alltags- und Arbeitsleben zu berücksichtigen ist“, heißt es in der Leitlinie „Händigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin.
Und trotzdem werden die Bedürfnisse von Linkshändern von Produktherstellern und Arbeitgebern oft ignoriert. Durch Bedienelemente, die rechtsseitig angebracht sind, Werkzeuge, die nur für Rechtshänder ausgelegt sind oder Arbeitsplätze, die für Linkshänder „falschrum“ aufgebaut sind. Großküchen, die nur Sparschäler für Rechtshänder bereithalten, Soßenkellen, welche die Ausgießöffnung auf der „falschen Seite“ haben oder Hebel, die mit rechts gedrückt werden müssen – die Liste der Probleme ist lang. Linkshänder haben gelernt, sich einer rechtsdominanten Welt anzupassen. Trotzdem müssen sie in Bezug auf Sicherheit mitgedacht werden.
Wenn das Bedienpanel auf der falschen Seite ist
Werfen wir mal einen Blick in unterschiedliche Bereiche. Da wäre etwa eine Durchschub-
Spülmaschine für Gastronomiebetriebe. Rechts des Spülbereichs findet sich eine Handbrause.
Umständlich für jeden Linkshänder. Wahlweise greift er umständlich um den Spülbereich herum oder er braust direkt mit der rechten – und damit schwächeren – Hand das Geschirr ab. Gehen wir weiter zu einer CNC-Fräsmaschine. Nachdem das Werkstück eingelegt wurde, muss das Bedienpanel gedrückt werden. Dieses befindet sich wo? Genau – auf der rechten Seite. Der Linkshänder muss also auch hier wahlweise mit rechts die Tasten drücken, um entspannt den Prozess durch die Scheiben beobachten zu können oder er drückt mit links und wendet sich dadurch automatisch etwas mehr vom eigentlichen Prozess ab. Er müsste über seine linke Schulter schräg nach hinten schauen, um den Prozess beobachten zu können. Nackenschmerzen inklusive. Noch spannender wird der Blick auf eine Tischbohrmaschine. Hier muss der Drehkranz – der ebenfalls rechtsseitig angebracht ist – betätigt werden. Auch der Messschieber zum Prüfen der Ergebnisse ist für Rechtshänder bestimmt und muss vom Linkshänder „falsch herum“ bedient werden, weil die Skala nur einseitig angebracht wurde. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig weiterführen.
Laut Norm muss Linkshändigkeit bedacht werden
Zunächst klingen die benannten Probleme banal. Doch dauerhaft können diese schmerzhaft werden. Den ganzen Tag über die linke Schulter zu schauen, führt zu einem dauerhaft verspannten Nacken den Drehkranz unter Kraftaufwand zu betätigen und dafür die schwächere Hand zu verwenden, kann zu Erkrankungen wie einer Sehnenscheidenentzündung führen. Unsere Hände sind statistisch die Körperteile, die bei Arbeitsunfällen am häufigsten verletzt werden, egal ob Links- oder Rechtshänder.
Trotzdem scheint es, dass Linkshänder oft nicht „mitgedacht“ werden. Obwohl es zum Beispiel in der Norm 12100 unter Verwendungsgrenzen gefordert ist, dass Linkshändigkeit ebenso berücksichtigt werden muss wie Kraft, Körpergröße und Alter. Die Folgen dieser Lücke können unter anderem langsamere Reaktionszeiten, Fehlbelastungen durch unvorteilhafte Körperhaltung oder Ermüdungserkrankungen sein. Zusätzlich wirkt sich ein „falsch“ gestalteter Arbeitsplatz auch auf die Performance des Linkshänders aus, er wird im Zweifel langsamer arbeiten können.
Linkshändertauglich dank konstruktiver Maßnahmen
Hersteller von Maschinen können und sollen Linkshänder berücksichtigen. Wenn eine Maschine von einem Linkshänder nur schwer oder gar nicht bedient werden kann oder der Dauereinsatz an der Maschine problematisch wird, können oft kleine konstruktive Maßnahmen schnell zur Besserung beitragen. Statt zehn Prozent der Arbeitskräfte aus der Produktion auszuschließen, könnte etwa ein flexibel positionierbares Bedienpanel, beidseitig angebrachte Drehkreuze oder Werkzeug für Linkshänder einfach und oft kostengünstig Abhilfe schaffen. Oder die Bedienelemente sind so gestaltet, dass sie etwa durch Umstecken auch auf der linken Seite angebracht werden können.
Die Bedürfnisse von Linkshändern berücksichtigen
Falls ein Produkt nicht für Linkshänder geeignet erscheint, muss diese Information natürlich auch Einzug in die bestimmungsgemäße Verwendung halten – dies wird ein Hersteller aber nur herausfinden, wenn er die Linkshänder mitdenkt. Auch der Arbeitgeber kann für Besserung sorgen, indem zum Beispiel Linkshänder-Arbeitsplätze eingerichtet werden oder während der Produktion von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit geschaut wird, ob ein Linkshänder eventuell gefährlichere oder umständlichere Bewegungen durchführt als der Rechtshänder. Dies gilt auch für Schreibtischarbeitsplätze, wo die Anschaffung von ergonomischen Mäusen auch das Leben von Linkshändern erleichtern kann.
Am Ende sollten wir die zehn Prozent der Menschheit nicht aus Bequemlichkeit oder finanziellen Gründen wegignorieren, sondern im Blick behalten.