Derzeit ist das Thema Atommüllendlager in unserem Wohngebiet ein rotes Tuch. Der Landkreis ist, wie so viele, als Endlager im Gespräch. Anlass genug für mich, um über die Dokumentation dieses Endlagers nachzudenken. Eine Dokumentation, die eine Million Jahre lesbar und auffindbar sein muss – DAS ist doch mal eine Herausforderung. Hoffentlich keine, mit der ich mich herumschlagen muss.
Laut Wikipedia ist das älteste Schriftstück auf 6600 v. Chr. datiert1. Auch die Schriftstücke der alten Ägypter sind sicherlich jedem bekannt. Damals in Stein geschlagene Hieroglyphen sind heute noch gut erhalten. Selbst schriftunabhängige Dokumentationen aus der Steinzeit, Szenen einer Mammutjagd oder Tierzeichnungen, sind teilweise heute noch in Form von Höhlenmalerei erhalten. Was uns die Malereien sagen wollen, können wir nur erraten.
Das Problem mit den alten Schriftstücken? Wir können sie nicht lesen. Vereinzelte spezialisierte Forscher sind in der Lage, die alten Schriftzeichen zu entschlüsseln, der Rest der Menschheit tappt im Dunkeln. Meine Oma hatte ein Buch in altdeutscher Schrift. Dieses ist über 100 Jahre alt und selbst hier habe ich schon Probleme, die Buchstaben zu entziffern. Unsere Schrift verändert sich, unsere Sprache ebenfalls. Wenn schon 100 Jahre dazu führen, dass Schriften unlesbar werden, was passiert in einer Million Jahre? Allein der Wandel der Schrift wird die hoffentlich vorhandene und gut ausgerüstete Dokumentationsabteilung des zukünftigen Atommüllendlagers vor Herausforderungen stellen.
Und wie wird die Dokumentation aufbewahrt? Drucken wir das gesammelte Werk aus? Speichern es in der Cloud? Oder auf einem eigenen Server? Mein Rechner kann schon jetzt keine Disketten mehr lesen. Selbst ein CD-Laufwerk ist nicht verbaut. Die Technik überholt uns jeden Tag. Maschinenhersteller kommen schon ins Schwitzen, wenn sie die vorgesehene Aufbewahrungsfrist von (mindestens) 10 Jahren gemäß Maschinenrichtlinie erfüllen müssen. Ganze Archivsysteme werden angeschafft, überholt und gegen neue Systeme ersetzt. Papier wird mühsam eingescannt und Disketten in die Cloud überschrieben. Die Konstruktionszeichnungen werden als PDF gespeichert, weil das damals verwendete CAD-Programm nicht mehr auf dem neusten Windows-Programm läuft. Vermutlich wird es in 50 Jahren keine PDF-Dateien mehr geben. Von einer Million Jahre mal ganz abgesehen (Was bitte haben die Leute damals mit einem INTERNET gemacht?).
Ob uns unsere Vorfahren mit Stonehenge wohl etwas mitteilen wollten? „Achtung Leute, hier lagert giftiger Atommüll, betreten verboten“? Und wir Deppen laufen gruppenweise über den vergifteten Platz, weil wir die Warnzeichen von damals nicht mehr deuten können? Hoffentlich unwahrscheinlich. Am Eingang zum Atommüllendlager könnten Piktogramme angebracht werden. Mit etwas Glück in Stein geschlagen und auf ewig haltbar. Sprachunabhängig und schriftfrei. Nur wird auch die später keiner verstehen. Das typische Piktogramm für Strahlung ist ein kleiner Punkt mit drei Flügeln, ähnlich wie ein Windrad. Wir haben die Bedeutung erlernt und erkennen das Symbol. Doch es verändert sich, es wird optimiert und den aktuellen Situationen angepasst, genau wie alle anderen typischen Piktogramme. Bereits jetzt wird das Piktogramm in Entwicklungsländern nicht erkannt, weshalb ein weiteres Piktogramm mit Totenkopf und flüchtendem Männchen entwickelt wurde. Selbst sprach- und textunabhängige Piktogramme sind nicht für die Ewigkeit (oder eine Million Jahre) gemacht. Das zeigen auch die Hieroglyphen der Ägypter, wo Bildzeichen verwendet wurden, die wir heute trotzdem nicht auf den ersten Blick verstehen. Oder was soll uns der Text Auge, Vogel, Kopf, Kopf, Hand sagen?
Dokumentation unterliegt stets dem Wandel. Dies zeigt sich allein anhand der Maschinendokumentation. Ich durfte schon einige Anleitungen einsehen, die älter als ich sind. Seit damals sind neue Regeln, Vorgaben und Anforderungen an die Dokumentation gestellt worden und auch die Technik hat ihren Einfluss gehabt. Heutzutage würde wohl kaum ein technischer Redakteur seine Anleitung mit Füllfederhalter zu Papier bringen. In zwanzig Jahren wird es vielleicht nur noch digitale Anleitungen geben und in 150 Jahren benötigen wir keine Anleitungen mehr, weil unser externes Hirn alle Vorgänge gespeichert hat und wir die richtigen Informationen nur noch aus dem MultiWeb abrufen müssen.
Oder uns ist bis dahin der gesamte Atommüll um die Ohren geflogen, dann dokumentiert keiner mehr.
Sie interessieren sich für die Technische Dokumentation? Dann schauen Sie sich auf unserem Blog um und entdecken Sie hier weitere spannende Blogbeiträge zu diesem Thema.
Oder benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung der Technischen Dokumentation in Ihrem Unternehmen? Dann senden Sie uns eine unverbindliche Anfrage und schildern Sie uns Ihr Anliegen.
1: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Schrift