Unser Kollege hat heute einen Außentermin in Oldenburg. Das erste Kennlerngespräch mit einem potenziellen Neukunden. Unser Berater erhält während des Gesprächs einen kleinen Einblick in die Technische Dokumentation und erkennt nach wenigen Minuten, dass der Kunde dringenden Beratungsbedarf hat. Im bisherigen CE-Prozess seien grobe Fehler gemacht worden. Der Kunde ist erstaunt. Wie könne sich der Kollege nach dieser kurzen Einsicht so sicher sein?
Als Berater erhalten wir einen guten Einblick in die Technische Dokumentation verschiedenster Hersteller. Wir schauen uns Einbauerklärungen, Typenschilder und Anleitungen an und erleben, was sich so mancher Hersteller einfallen lässt, um die Prozeduren des CE-Prozesses vermeintlich korrekt umzusetzen. Nicht immer führen die Lösungen zum gewünschten Ziel. Hier wollen wir Ihnen drei häufig auftretende Fehler vorstellen, damit Sie diese in Zukunft vermeiden oder Ihre Lieferanten bei Bedarf besser bewerten können.
Einbauerklärung trifft Konformitätserklärung
Ein schneller Blick in die Unterlagen und dem Fachmann ist klar: Hier stimmt was nicht. Denn der Maschine ist sowohl eine EG-Konformitätserklärung als auch eine Einbauerklärung mitgeliefert worden. Oft ist dies ein Zeichen dafür, dass der Hersteller verunsichert ist und nicht genau weiß, ob er eine Unvollständige Maschine verkauft oder nicht. Die Mitgabe beider Dokumente nach dem Motto „sicher ist sicher“ hilft dabei nicht. In der Maschinenrichtlinie sind genaue Vorgaben enthalten, die Aufschluss über die Art der Maschine geben. Der Hersteller ist verpflichtet, zu prüfen, ob er eine unvollständige Maschine verkauft. Falls eine unvollständige Maschine vorliegt, muss eine Einbauerklärung beigelegt werden. Ansonsten ist eine Konformitätserklärung notwendig.
Prüfen Sie insbesondere auch die Lieferantendokumentation. Sollten beide Erklärungen vorliegen, so sollten die Lieferanten hier dringend nachbessern. Und ob eine unvollständige Maschine vorliegt, ist keine Frage des Vertrages zwischen Ihnen und dem Lieferanten:
Aus der RICHTLINIE 2006/42/EG Artikel 2, g)
„unvollständige Maschine“ eine Gesamtheit, die fast eine Maschine bildet, für sich genommen aber keine bestimmte Funktion erfüllen kann. Ein Antriebssystem stellt eine unvollständige Maschine dar. Eine unvollständige Maschine ist nur dazu bestimmt, in andere Maschinen oder in andere unvollständige Maschinen oder Ausrüstungen eingebaut oder mit ihnen zusammengefügt zu werden, um zusammen mit ihnen eine Maschine im Sinne dieser Richtlinie zu bilden;
Niederspannungsrichtlinie vs Maschinenrichtlinie
Ein Punkt, der schnell und einfach zu erkennen ist, ist die Aufführung der angewandten Richtlinien und dabei die gemeinsame Nennung der Maschinenrichtlinie und der Niederspannungsrichtlinie. Auch wenn hier schon eine sehr intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Maschinenrichtline und im Idealfall auch des sehr hilfreichen Leitfadens stattfinden muss, so kann der gewitzte Sherlock Holmes unter den Konstrukteuren zu dem Schluss kommen: Die gemeinsame Nennung der Richtlinien ist nicht ratsam. Denn unter Abschnitt 1.5.1 „Elektrische Energieversorgung“ der Maschinenrichtlinie ist folgender Absatz zu finden:
Eine mit elektrischer Energie versorgte Maschine muss so konstruiert, gebaut und ausgerüstet sein, dass alle von Elektrizität ausgehenden Gefährdungen vermieden werden oder vermieden werden können. Die Schutzziele der Richtlinie 73/23/EWG gelten für Maschinen. In Bezug auf die Gefährdungen, die von elektrischem Strom ausgehen, werden die Verpflichtungen betreffend die Konformitätsbewertung und das Inverkehrbringen und/oder die Inbetriebnahme von Maschinen jedoch ausschließlich durch die vorliegende Richtlinie geregelt.
OK, schwieriger Satzbau. Zum Glück übersetzt der Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG diesen Passus in klare Handlungsanweisungen. Im §222 „Elektrizität“ steht
„Der zweite Satz dieses Absatzes stellt klar, dass die Verfahren der Niederspannungsrichtlinie, die sich auf Inverkehrbringen und Inbetriebnahme beziehen, nicht auf Maschinen anwendbar sind, welche der Maschinenrichtlinie unterliegen. Die Konformitätserklärung für Maschinen, die der Maschinenrichtlinie unterliegen, darf also nicht auf die Niederspannungsrichtlinie verweisen.“
Zack, das ist doch sehr eindeutig. Also, wenn Maschinenrichtlinie und Niederspannungsrichtlinie zeitgleich für ein Produkt anzuwenden sind, gelten die Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie zwar indirekt, aber der Hersteller sollte nur die Maschinenrichtlinie in der Konformitätserklärung aufführen.
Das CE-Zeichen, der kleine Verräter
Das CE-Zeichen ist auf vielen Produkten zu finden. Und meist auch zurecht. Doch gibt es Situationen, in denen es besser fehlen sollte. Dies gilt insbesondere für unvollständige Maschinen. So hat ein Hersteller von unvollständigen Maschinen es sehr gut gemeint und formschöne Typenschilder an seinem Produkt angebracht. Leider hatten die Typenschilder einen Schönheitsfehler: das CE-Zeichen. Auf unvollständigen Maschinen darf kein CE-Zeichen zu finden sein, eben so wenig, wie eine Konformitätserklärung beiliegen sollte. Das CE-Zeichen wird derjenige vergeben, der aus der unvollständigen Maschine mit weiteren Komponenten eine Gesamtmaschine erstellt. Erst nach Betrachtung aller Risiken, die mit der unvollständigen Maschine im Verbund mit den anderen Teilen entstehen können und dem Durchführen des gesamten Konformitätsbewertungsverfahrens darf ein CE-Zeichen auf dem Typenschild zu finden sein. Und zwar ausschließlich auf dem Typenschild der Gesamtmaschine (was nicht ausschließt, dass das Typenschild am Ende auf dem Bereich mit der unvollständigen Maschine angebracht wird).
Zusammengefasst sollten Sie die folgenden Punkte beachten, um die drei häufig auftretenden Fehler in der Technischen Dokumentation zu vermeiden:
- Prüfen Sie, ob eine Einbauerklärung oder eine Konformitätserklärung benötigt wird
- Maschinenrichtlinie schlägt Niederspannungsrichtlinie: führen Sie nicht beide in der Konformitätserklärung auf
- Das CE-Kennzeichen darf nur auf vollständigen Maschinen angebracht werden
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