Maschinenhersteller kennen die Situation: Zulieferdokumentation füllt Ordner, Schränke und Archivräume. Für die Verwaltung der Dokumentation bräuchte es eigene Abteilungen. Allein für einen zugekauften Motor, der in der Maschine verbaut wird, bekommt der Hersteller Anleitungen und Datenblätter bis ins kleinste Detail. Jede Schraube kann dokumentarisch nachverfolgt werden. Und weil es so schön ist, gibt der Hersteller den Schwung Papierstapel direkt als fünfteilige Ordnersammlung an den Käufer der eigentlichen Maschine weiter. Alles dokumentiert, alles klar, alles Altpapier.
Zulieferdoku-Horror
Das Thema Zulieferdokumentation ist für mich noch heute ein rotes Tuch mit vielen schmerzhaften Facetten. Die Kunden meinen es gut, wenn sie mir für die Erstellung der Betriebsanleitung alle Dokumente mitgeben, die sich im Laufe der Konstruktionsphase angesammelt haben. Besonders spannend wird es im Bereich Anlagendokumentation, in dem ich nicht nur die Betriebsanleitungen der verbauten Maschinen bekomme, sondern auch die daran angehängten Dokumente der in den Maschinen verbauten Komponenten. Ein Großteil meiner Arbeit – und somit auch ein Großteil des Kundenbudgets – geht für die Sichtung und Sortierung drauf, denn oftmals kommen die Dokumente unsortiert und in verschiedenen Medien zu mir. Da habe ich eine Mischung aus Hydraulikplänen (rätselhafte Zeichnungen), Beschreibungen von Touchscreens (aber nur auf Englisch) und statische Berechnungen (ohne Mehrwert). Die Dokumente flattern sowohl digital als Text-Datei, eingescannt - handschriftlich und kaum lesbar - als PDF und in Papierform bei mir rein. Da wünsche ich mir einen Zauberspruch alla Harry Potter, der in Windeseile alles vorsortiert und aufbereitet.
Was tun?
Auch hier: Eine Patentlösung habe ich nicht. Aber ein paar Tipps sowohl für die Einkaufsabteilung der Hersteller als auch für Technische Redakteure. Denn bereits beim Aufsetzen des Kaufvertrages der einzelnen Komponenten können einige Grundsteine festgesetzt werden, um die Überführung der Zulieferdoku zu erleichtern. Und der Technische Redakteur kann massiv dazu beitragen, dass weniger Druckkosten entstehen - ganz im Sinne des Umweltschutzes, des Lesers und des Herstellers.
Rechtliche Probleme
Der Einkauf möchte ein System zum Befördern von Pulver einkaufen. Dieses Fördersystem soll Teil einer großen Anlage werden. Die Verhandlungen laufen. CE-konform soll das Fördersystem natürlich sein, dies ist vertraglich festgehalten (wäre sonst auch strafbar). Die Anleitung für das Fördersystem wird geliefert (gedruckt und digital) und ist auf das Wesentliche reduziert. Alles hat seine Richtigkeit, die Anleitung ist gut ausgearbeitet. Der Technische Redakteur möchte relevante Texte aus der Anleitung des Fördersystems in die übergeordnete Betriebsanleitung übernehmen. Euphorisch kopiert er relevante Wartungspläne und Bedienerinformationen und setzt die Texte 1:1 in sein Dokument ein. Nur doof, dass er das nicht darf. Denn selbst eine Anleitung gilt als geistiges Eigentum und darf nicht „geklaut“ werden. Stichwort: Urheberrecht. Bleibt dem Redakteur noch die Möglichkeit des Umformulierens. Schwierig wird es jedoch, wenn aufgrund der Umformulierungen Fehler entstehen. Denn dafür haftet der Anlagenbauer und nicht der Fördersystemhersteller. Ein ziemliches Dilemma, aber es geht noch schlimmer. Was ist, wenn der Fördersystemhersteller eine Anleitung geliefert hat, diese aber inhaltlich von einem komplett anderen Produkt handelt und der Anlagenhersteller trotzdem die unkorrekte Anleitung an seine Kunden ausliefert und aus der Gesamtanleitung auf das fehlerhafte Dokument verweist? Im Schadensfall bekommt der Anlagenbauer hier erstmal den schwarzen Peter zugeschoben. Schließlich hätte er die Zulieferdoku prüfen müssen.
Im Falle von Auslieferungen ins Ausland multiplizieren sich die Probleme mit Zulieferdokumentation um einiges, denn die Anleitungen müssen in den Sprachfassungen des Kundenlandes vorliegen und oft ist nicht geklärt, wer die Übersetzungskosten und Verantwortung zu tragen hat.
Der Einkauf hilft
Die Probleme mit Zulieferdokumentationen sind vielfältig und haben zwischen Kunden und Herstellern schon jede Menge Zwietracht gesät. Dem kann der Einkauf vorbeugen. Nicht nur, dass er vertraglich festhält, welche Inhalte und Angaben in der Anleitung enthalten sein müssen und dass diese nach den Richtlinien und Normen wie DIN EN 82079 aufgebaut sein sollen, nein, der Einkauf kann viel mehr. Im Vertrag regelt er, dass die Anleitung in einem vernünftigen Textformat daherkommt - oft wird PDF verwendet. Zusätzlich hat sich der pfiffige Einkauf darum bemüht, dass das PDF nicht gesperrt ist und Textstücke aus diesem Dokument herauskopiert werden können. Und das wichtigste: Die Texte und Abbildungen dürfen kopiert und integriert werden, da die Erlaubnis dazu ebenfalls im Vertrag steht. Auf welche Weise die Texte verarbeitet werden dürfen, ob die verwendeten Textpassagen nach der Integration nochmal durch den ursprünglichen Autor kontrolliert werden sollten und andere haftungsabhängige Fragen können des Weiteren vertraglich festgehalten werden, erfordern aber ziemlich intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Möglichkeiten und Folgen.
Mit Vorsicht verweisen
Und der Technische Redakteur? Der überlegt sich ganz genau, ob er auf weitere Zulieferdoku verweist. Denn ziemlich häufig ist die Mitgabe der zahlreichen Anleitungen neben der eigentlichen Betriebsanleitung sinnfrei. Benötigt der Maschinenbediener die Anleitung für den integrierten Lüfter, wenn er nicht befugt ist, das Maschinengehäuse zu öffnen, unter dem der Lüfter verbaut ist? Ist die Mitgabe dieser Anleitung nicht vielmehr eine indirekte Einladung für den nicht autorisierten Bediener, den Lüfter genauer zu betrachten? Wenn er eine Erklärung vorfindet, wie er den Lüfter reparieren kann, wieso sollte er dies nicht machen? Mit der beigelegten Anleitung gibt der Redakteur dem nicht ausgebildeten Personal das Werkzeug an die Hand, die Arbeiten durchzuführen. Hier ist wieder die Definition der Zielgruppe entscheidend. Ist ein Öffnen des Maschinengehäuses für die Zielgruppe nicht vorgesehen, da hier umfangreiche Fachkenntnisse notwendig sind, sollte auch keine Anweisung zum Öffnen des Gehäuses in der Maschinen-Anleitung zu finden sein. Und schon sind die Zulieferdokumentationen der verbauten Teile für den Bediener überflüssig. Falls jedoch der ausgebildete Servicetechniker das Gehäuse öffnen muss, kann die Mitgabe der besagten Zulieferdoku sinnvoll sein, falls eine Integration der Texte zu aufwändig ist. Oft reicht jedoch nicht der einfache Verweis auf das Dokument aus, denn weiterführende Informationen z.B. zum sicheren Ausbau des Lüfters im Kontext der Gesamtmaschine dürften damit wohl kaum beschrieben sein. Verweise auf Zulieferdokumente sollten immer mit Vorsicht eingefügt werden, lassen sich aber nicht immer vermeiden. Die Mitgabe eines jeden Schraubendatenblattes ist jedoch in den meisten Fällen überflüssig.
Die Symbiose
Idealerweise setzen sich Einkauf und TR zusammen. Der Redakteur prüft den Vertrag und schaut, ob zum Beispiel die relevanten Normen zur Erstellung von Produktinformationen aufgeführt sind. Sobald die eingekauften Anleitungen eintreffen, sollte der Redakteur kontrollieren, ob alle relevanten Kapitel enthalten sind und die gängigen Regeln eingehalten werden. Hier kann der geübte TR meist schnell ein gutes Dokument von einem miserablen Schriftstück unterscheiden. So finden sich im Letzteren zum Beispiel oft anderssprachige Kapitel, relevante Abschnitte wie Wartung fehlen oder im Kapitel Bedienung wird eine komplett andere Maschine beschrieben (alles schon vorgekommen). Augen auf beim Dokukauf.
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