Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Lebensmittelindustrie: Sichere Maschinen mit Hygienic Design

Erstellt von Jörn Henneke am 17.10.23 11:50

Maschinensicherheit minimiert das Verletzungsrisiko für Beschäftigte und erhöht die Arbeitssicherheit, so dass Unfälle vermieden werden können.

Die Maschinenrichtlinie Anhang I, Unterpunkt 2.1. verlangt, dass Maschinen, Bauteile und Komponenten für Lebensmittel so konstruiert und gebaut werden müssen, dass kein Risiko von Infektion, Krankheit und Ansteckung für Konsumenten aus ihnen hervorgeht. Ähnliches gilt für die neue Maschinenverordnung, die die Maschinenrichtlinie ablösen wird.

Sichere Lebensmittel benötigen zunächst einmal sichere Rohstoffe, sonst ist das Endprodukt nicht sicher. Darüber hinaus dürfen die Maschinen, die die Zutaten und Rohstoffe verarbeiten und das Lebensmittel herstellen, das Produkt nicht negativ beeinflussen: Es darf keine Kontamination stattfinden. 

Ein zentraler Faktor bei der Konstruktion von Maschinen für den Lebensmittelbereich ist ihre Reinigbarkeit. Die dafür notwendige reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen, Komponenten und Produktionsanlagen wird durch Hygienic Design (hygienisches Design) bei Planung und Bau erreicht. Hygienic Design reguliert zum Beispiel die eingesetzten Materialien und ihre Verbindungen, die Fertigungsverfahren genauso wie Oberflächenbeschichtungen und die Formgebung von Maschinen, Komponenten und Teilen.

Gefahren in der Lebensmittelproduktion

Das Gefahrenspektrum in der Lebensmittelproduktion ist breit und erstreckt sich von den Rohstoffen bis zur Verarbeitungskette, den Maschinen und der finalen Qualitätskontrolle. Im Fokus steht in erster Linie der Konsument der Produkte, aber natürlich muss die Maschinensicherheit auch für die Bediener der Anlagen ein sicheres Arbeitsumfeld erschaffen.

Gefahren für Sicherheit von Lebensmitteln ergeben sich schon vor der eigentlichen Produktion in der Konstruktion der verarbeitenden Maschine, etwa, wenn manche Bereiche nicht erreichbar und deswegen nicht oder kaum gereinigt werden können. Das erhöht die Gefahr einer Kontamination und damit das Risiko von Produktrückrufen. Milchprodukte können zum Beispiel durch eine ungeeignete Dichtung mikrobiologischen Belastungen ausgesetzt werden - kommen hier hygienische Dichtverbindungen zum Einsatz, ist ihr Zyklus des Auseinanderbauens und der Reinigung kürzer und damit das Sicherheitsniveau höher. 

Hygiene im Betrieb – der Betreiber ist für die Prozesse verantwortlich

Aus Prozesssicht muss die Lebensmittelanlage gereinigt und kontrolliert werden können: Ungeeignete Betriebsmittel können durch diesen Prozess nicht mehr verbessert oder kompensiert werden, etwa, wenn sie sich nicht reinigen lassen oder Teile verbaut wurden, die nicht in Kontakt mit Lebensmittel kommen dürfen, weil sie schädliche Stoffe abgeben.

Hygiene betrifft dabei nicht nur die Betriebsmittel wie Maschinen, sondern auch andere Maßnahmen und Vorkehrungen, die dazu dienen, Gefahren unter Kontrolle zu bringen, so dass das Lebensmittel für den Verzehr tauglich ist. Dazu gehören, stets abhängig von dem Produkt, das verarbeitet wird, auch Personalhygiene oder persönliche Schutzausrüstung wie Haarnetze oder Handschuhe.

Der Betreiber der Anlage benötigt ein HACCP Konzept (hazard analysis and critical control points), eine Gefahrenanalyse und Werkzeug der Qualitätssicherung und -kontrolle, um Gefahren für Konsumenten zu vermeiden.

Risiken liegen hier in der falschen Anwendung der Personalhygiene, der Verarbeitung nicht geeigneter Lebensmittel oder das Nicht-Einhalten der Qualitätsschritte, etwa, wenn die Kühlkette bei der Fleischverarbeitung unterbrochen wird. Auch Schwachstellen in der Qualitätskontrolle können ein Risiko sein, wenn potenzielle Gefährdungen aus diesem Grund nicht oder nicht rechtzeitig erkannt werden.

Nicht nur die Maschine kann also eine Gefahrenquelle in der Produktion von Lebensmitteln darstellen, sondern auch der Verarbeitungsprozess. Für diesen ist dann nicht der Hersteller der Maschine verantwortlich, sondern der Betreiber – er muss den Produktionsprozess unter Kontrolle haben, wobei natürlich ein Restrisiko bleibt.

Bier: Ein Bierbrauer betrachtet sein Produkt im Glas vor seinen Tanks. Auch bei der Getränkeherstellung müssen Maschinen Sicherheitsstandards genügen.

 

Herausforderungen in der Lebensmittelproduktion für die Maschinensicherheit

Sind die Lebensmittel sicher und geeignet, dann ist die Maschine oder Anlage der Dreh- und Angelpunkt für die sichere Herstellung. Hier muss ausgeschlossen werden, dass es zu einer mikrobiologischen oder chemischen Kontamination kommt und dass der Konsument durch physikalische Gefährdungen, etwa durch Fremdkörper wie Metallsplitter im Produkt, Schaden nimmt.

 

Eigenschaften sicherer Maschinen in der Lebensmittelindustrie

Maschinen müssen so konstruiert sein, dass sie leicht zu reinigen sind: Das bedeutet glatte Oberflächen, keine Totstellen und keine Erhöhungen und Vertiefungen. Die Flächen müssen selbst abfließend sein. In Bereiche, die nicht gereinigt werden können, darf nichts eindringen.

Wichtig ist außerdem eine geometrische Gestaltung ohne rechte Winkel, Befestigungsmittel wie Schrauben müssen weitgehend vermieden werden. Auch die Auswahl des Materials ist relevant: Es muss ebenfalls leicht zu reinigen sein und darf keine Stoffe wie Weichmacher an die Lebensmittel abgeben. Edelstahl ist ein solches Material; auch bestimmte Kunststoffe, die über eine entsprechende Konformitätserklärung verfügen, können für den Kontakt mit Lebensmittel geeignet sein. Unterschieden werden hier die Bereiche Lebensmittel- und Nicht-Lebensmittelbereich sowie Spritzbereich, für die unterschiedliche Anforderungen gelten.

Festgelegt sind die Bestimmungen in der Maschinenrichtlinie 2.1.1., wobei Normen wie die C-Norm EN EN1672-2 2005 Nahrungsmittelmaschinen - allgemeine Gestaltungsleitsätze Hilfestellung bei der konkreten Umsetzung sowie Beispiele und Anforderungen an Hygiene und Reinigbarkeit, Konstruktion und Gestaltung geben. Bei der Konstruktion sollte die Einfachheit eine zentrale Rolle spielen, um eine optimale Reinigung und Desinfektion gewährleisten zu können und auch den Ressourceneinsatz zu minimieren.

Auch gibt es die überarbeitete, noch nicht harmonisierte, Version EN 1672-2:2020 Nahrungsmittelmaschinen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze - Teil 2: Anforderungen an Hygiene und Reinigbarkeit.

Hygiene-Risikobeurteilung von Maschinen für die Lebensmittelproduktion

Für Maschinen, die in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden, sind zusätzliche Schritte in der Risikobeurteilung notwendig, konkret: eine eigene Hygiene-Risikobeurteilung. Dabei werden Design und Konstruktion der Maschine, ihre Oberflächen und ihre Werkstoffe berücksichtigt. Es wird beurteilt, was verarbeitet wird, welche Umwelteinflüsse vorliegen, ob es sich um einen offenen Prozess mit Kontakt zur Außenluft oder um einen geschlossenen handelt, welche biologischen, chemischen oder physikalischen Gefährdungen bestehen.

Auch bei der Hygiene-Risikobeurteilung greift das bekannte Stufenverfahren, um Gefährdungen zunächst konstruktiv durch die Gestaltung der Maschine zu mindern, und folgend durch technische Maßnahmen, Reinigung und Desinfektion oder Nutzerhinweise, etwa dem Tragen von Handschuhen. Die Hygiene-Risikobeurteilung muss Reinigungs- und Desinfektionspezifikationen angeben, das heißt mit welchen Mitteln und in welchen Intervallen die Maschine gesäubert wird. Außerdem müssen Informationen vorliegen, wie die Instandhaltung vorzunehmen ist, damit die Hygiene gewährleistet bleiben kann.


Zielkonflikte zwischen Maschinensicherheit und reinigungsgerechter Gestaltung

Die Hygiene-Risikobeurteilung ist also eine umfangreiche Ergänzung zur Risikobeurteilung für Maschinen. Unternehmen müssen also die klassische Maschinensicherheit gewährleisten und gleichzeitig die reinigungsgerechte Gestaltung. Dabei können Zielkonflikte entstehen:

Ein offenes Förderband kann zum Beispiel leicht zu reinigen sein, stellt aber auch eine erhöhte mechanische Gefährdung dar, dass Mitarbeiter eingezogen und verletzt werden können. Der Hersteller muss dann abwägen und eine geeignete Lösung finden – in der Regel sind Hygiene und Maschinensicherheit zu vereinbaren. Die Voraussetzung: eine gründliche Risikobeurteilung und die Bereitschaft, sich Gedanken zu machen. Hygiene-Risikobeurteilung und die klassische Risikobeurteilung werden in der Regel parallel erstellt und zuletzt mögliche Konflikte bestimmt und ausgeräumt.


Hygiene-Risikobeurteilung vereinfachen

Unternehmen können sich die Hygiene-Risikobeurteilung leichter machen:

  • Durch den Einsatz der gleichen, bekannten wie bewährten Materialien

  • Durch den Einsatz von Bauteilen mit dem DGUV-Test-Prüfzeichen „Hygiene geprüft“

  • Durch die Berücksichtigung der EHEDG Leitlinien, entwickelt von der European Hygienic Engineering and Design Group

  • Durch eine korrekte Einteilung der Zonen in Lebensmittel-, Nicht-Lebensmittel- und Spritzbereiche

  • Durch die Bestimmung der Verarbeitungsstufen der Maschine, ihres Einsatzbereichs und der dabei eingesetzten Lebensmittel

  • Durch die Erstellung der Risikobeurteilung parallel zur Konstruktion und nicht erst danach

  • Durch die Kenntnis der passenden Normen: Für bestimmte Nahrungsmittel gibt es C-Normen wie 1672-2, die eine große Hilfestellung bieten. Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen, die davon nicht abgedeckt werden, definiert die EN 14159 - Sicherheit von Maschinen.

  • Durch den Einsatz einer Software für die Risikobeurteilung: CE-CON Safety gibt zum Beispiel spezifische Gefährdungen, biologische, chemische und physikalische, mit Untergefährdungen aus – diese können einfach ausgewählt und mit ihnen weitergearbeitet werden.

 

 

Themen: Arbeitssicherheit, Risikobeurteilung, Maschinenrichtlinie / Maschinenverordnung, Richtlinien und Normen

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