Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Zugangssicherungen im Maschinenlebenszyklus

Erstellt von Jörg Handwerk am 22.09.17 11:20

Die Anforderungen an die Absicherung von Maschinen haben sich durch Industrie 4.0 und die damit verbundene fortschreitende Automatisierungstechnik verändert. Absicherungen im Arbeitsprozess wirkten früher eher störend. Heute lassen sich Schutzkonzepte für die verschiedenen Lebensphasen einer Maschine durch innovative Techniken einfach in den Arbeitsprozess integrieren.

Daher ermöglichen moderne Schutzkonzepte, sowohl den Produktivitäts- als auch den Sicherheitsanforderungen bei automatisierten Fertigungsanlagen zu entsprechen. Im heutigen Blog-Beitrag erfahren Sie, worauf Sie in den verschiedenen Phasen des Maschinenlebenszyklus achten müssen.

Einrichten der neuen Maschine

Wird eine Maschine neu konstruiert, entwickelt und auf den Markt gebracht, handelt es sich um das sog. „erstmalige Bereitstellen“. Welche Anforderungen Maschinen erfüllen müssen, ergibt sich aus der Maschinenrichtlinie. Diese ist beispielsweise in Deutschland im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) in Verbindung mit der Maschinenverordnung – 9. ProdSV in nationales Recht umgesetzt. Für das erstmalige Inverkehrbringen auf dem europäischen Markt ist die CE-Kennzeichnung verpflichtend.

Zur Sicherheit gehören oftmals steuerungstechnische Schutzfunktionen. Hierbei spricht man auch von der sog. „Funktionalen Sicherheit“. Dazu zählen alle elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Bauteile, die an einer Sicherheitsfunktion beteiligt sind. Die Norm ISO 13849-1 beschäftigt sich mit Gestaltungsleitsätzen zu sicherheitsbezogenen Teilen von Steuerungen.

Nach der Konstruktion muss validiert werden, ob das Performance Level (PL) auch tatsächlich erreicht wurde. Maßnahmen wie Personenschutzscanner, Sicherheitslichtgitter oder Trittschutzmatten sind beliebt. Diese Geräte stellen große Anforderungen an die Einbausituation. Zudem müssen solche Geräte jährlich geprüft werden, was einen gewissen finanziellen Aufwand des Betreibers fordert.

Schutzmaßnahmen Sicherheit im Umgang mit Maschinen

Im Anschluss an die Herstellung einer Maschine soll diese entsprechend ihrer Bestimmung verwendet werden. Da Maschinen unter den Begriff der Arbeitsmittel fallen, greift hier die europäische Richtlinie 2009/104/EG. Sie regelt die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit.

Eine Kernaufgabe des Betreibers ist hier die Überprüfung des Arbeitsmittels im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz und die Beurteilung von Gefährdungen. Bei Neuinvestitionen muss mit der Gefährdungsbeurteilung bereits schon bei der Kaufentscheidung begonnen werden, um sicherzugehen, dass keinerlei Gefährdung vom Arbeitsmittel ausgeht. Ergeben sich aus ihr notwendige Maßnahmen zur Minderung, so sind diese umzusetzen und den Arbeitnehmern in Form von Unterweisungen mitzuteilen.

Wartung, Störungsbeseitigung und Instandhaltung

Während die Schutzmaßnahmen Sicherheit im Umgang mit Maschinen während des Automatik- oder Normalbetriebs bringen, bestehen außerhalb der Produktionszeiten erhebliche Risiken. Um Maschinen sicher zu warten, instand zu halten und reinigen zu können, muss das Personal innerhalb von Schutzbereichen auch entlegene Ecken erreichen können. Prozeduren, die zur sicheren Abschaltung aller Energieformen beitragen, sind hier oft die Lösung. So fordert die EG-Richtlinie für die Benutzung von Arbeitsmitteln vom Arbeitgeber, dass er seinen Mitarbeitern nur sichere Arbeitsmittel zur Verfügung stellen darf. Das impliziert, dass der Umgang mit Maschinen in allen Lebensphasen sicher zu sein hat.

Das LOTO-Verfahren, in den USA bereits seit Jahren Pflicht, erfüllt auch in der EG diese Anforderung für Instandhaltungs, Wartungs- und Reinigungstätigkeiten. Hier kommt es darauf an, alle Energieformen vor Arbeitsbeginn abzusperren und gegen Wiedereinschalten zu sichern. Damit sind nicht nur die herkömmlichen, wie etwa Elektrizität, gemeint, sondern insbesondere die nicht direkt erkennbaren. Druckspeicher, Kondensatoren, Dampf und chemische Substanzen zählen ebenso zu den zu berücksichtigenden Energien wie mechanische Energien und Strahlung.

Außerplanmäßige Störungen und Inbetriebnahmen können hingegen ohne Energie nicht stattfinden. Trotzdem müssen sich die Zuständigen oft in Gefahrenbereichen bei zugeschalteter Energie aufhalten. Damit auch dabei nichts passiert, sind Sicherheitsfunktionen wie z. B. sicher reduziertes Drehmoment etc. anwendbar. Diese erlauben Bewegungen von Maschinen, die keine Verletzungen hervorrufen oder die Möglichkeit dazu so stark verringern, dass das Risiko tolerabel bleibt.

Oftmals sind Funktionen dieser Art mit sog. Enable Switches oder Zustimmtastern ausgestattet, die gefahrbringende Bewegungen nur in einer ganz genau definierten Mittelposition zulassen. Verlässt der Bediener diese, wird die Bewegung umgehend sicherheitsgerichtet stillgesetzt.

Maschinenlebenszyklus - Lock Out Tag Out - LOTO

 

Erweiterung und Modernisierung

Beispiel: Eine 20 Jahre alte Fertigungslinie wird durch einen zusätzlichen Handmontage-Schritt erweitert, was zu einem zusätzlichen Arbeitsplatz führt. Ein Mitarbeiter, der am Band steht, muss z. B. einem Produkt oder einer Produktcharge etwas hinzufügen.

Daraus folgt, dass die Zugangssicherungen an die neue Situation angepasst werden müssen. Um einen Arbeitsplatz in einer bereits existierenden Fertigungslinie integrieren zu können, sind häufig umfangreichere Umbauten notwendig, wenn der Platz nicht vorhanden ist. Durch die begrenzte Fläche innerhalb der Produktionsbereiche müssen vorhandene Schutzeinrichtungen abgebaut werden, um den zusätzlichen Fertigungsschritt mit zu berücksichtigen.

Durch alternative Zugangssicherungen wie z. B. Sicherheitslichtgitter oder Personal-Laserscanner müssen dann die vorhandenen Gefährdungen gegen Erreichen wiederum gesichert werden. Aus unserer Erfahrung sind die Unternehmen selten in der Lage, die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen in Sachen Maschinensicherheit eigenständig und in vollem Umfang zu erfüllen.

Sicherheit während des gesamten Maschinenlebenszyklus

Die Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie gilt für die Anwendung von Maschinen und Geräten am Arbeitsplatz. Die Anforderungen der Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie sowie nationale Anforderungen und Betriebsvorschriften sind wiederum in nationalen Gesetzen zusammengestellt. Innerhalb der Richtlinie über die Benutzung von Arbeitsmitteln besteht die Anforderung, dass die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen regelmäßig oder anlassbezogen durchgeführt werden muss.

Dazu zählt auch die Prüfung der berührungslos wirkenden Schutzfunktionen (BWS) nach einem Jahr Betriebszeit. Denn BWS sind Einrichtungen, bei denen ein Schaltvorgang durch Veränderung optischer, elektromagnetischer, elektrostatischer oder anderer Felder ausgelöst wird. Das können Sicherheitslichtgitter, Lichtschranken, Lichtvorhänge oder Kontaktmatten sein.

Sicherheitslichtgitter müssen beispielsweise unbedingt jährlich überprüft werden, da sich dahinter Gefahrenstellen befinden, die immer sicherheitsgerichtet stillstehen müssen. Das bedeutet, dass eine BWS dort installiert wird, wo Quetsch- und Scherstellen oder Einzugsstellen auftreten, gefahrbringende Bewegungen wie Schließ- oder Schnittbewegungen von Werkzeugen stattfinden oder Gefahrenbereiche existieren, wo der Mensch in die Nähe einer Gefahrstelle gelangt.

Eine Zugangssicherung muss so angebracht werden, dass Unter-, Über- oder Umgreifen und der Aufenthalt zwischen dem Schutzfeld und der Gefahrenstelle nicht möglich sind. Genaue Anforderungen hierzu befinden sich in der Norm ISO 13855 im Hinblick auf Annäherungsgeschwindigkeiten von Körperteilen. Diese Regelung verpflichtet Arbeitgeber zum Handeln, um den Fokus auf den Schutz der Mitarbeiter zu legen.

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Themen: Arbeitssicherheit, Funktionale Sicherheit

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