Wie erreicht man Maschinensicherheit? Ein Mix aus jahrelanger Erfahrung der Konstrukteure und Wissen auf dem aktuellen Stand der Technik. Dieser ist in den harmonisierten Normen der EU abgebildet. Der Konstruktion, dem Bau oder Umbau einer Maschine sollte deswegen die sogenannte Normen- und Richtlinienrecherche vorausgehen. Hier finden Konstrukteure konkrete Hinweise zur Auswahl von Schutzeinrichtungen und zu deren Umsetzung. Damit Maschinensicherheit und die Anforderungen der Produktion nicht kollidieren, ist stets die Abstimmung mit den späteren Betreibern der Maschine notwendig.
Sichere Maschinen brauchen Konstrukteure, die gern lesen. Denn direkt nach dem Projektstart geht es an die Richtlinienrecherche – egal, ob eine Maschine neu gebaut, erweitert oder zum Beispiel mit Robotern oder Fördertechnik zu einer neuen Gesamtheit wird. In Normen und Richtlinien finden sich die allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinensicherheit. Die Normenrecherche klärt, wie die Umsetzung in der Praxis aussehen muss – zu finden sind die Informationen in den harmonisierten Normen gemäß der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, die im Amtsblatt der EU gelistet sind. Es gibt drei Typen:
· Die Grundnormen (A) wie die EN ISO 12100:2010 bestimmen die Vorgehensweise der Risikobeurteilung und -minderung.
· Gruppennormen (B) sind auf viele Produkte anwendbar und befassen sich mit speziellen Schutzeinrichtungen wie Nothalt oder Zweihandbedienung.
· Die fach- und produktspezifischen Normen (C) gelten für bestimmte Maschinentypen und deren Gefährdungen. Die C-Norm hat Vorrang, wird in der Praxis aber oft vernachlässigt.
Die notwendigen Sicherheitseinrichtungen werden in der konstruktionsbegleitenden Risikobeurteilung festgelegt und dokumentiert, was unternommen wurde, um die Risiken von dabei identifizierten Gefährdungen zu minimieren. Dem schließen sich Konstruktion und Bau der Maschine sowie die Technische Dokumentation an. Nun kann die Maschine in Betrieb genommen und abschließend in Verkehr gebracht werden.
Die Konformitätserklärung bestätigt die Anforderungen der Richtlinien
Worüber sich Betreiber und Hersteller von Maschinen im Klaren sein müssen: Die Schritte Normenrecherche, Risikobeurteilung, Konstruktion und Bau sowie die Technische Dokumentation gehen über den eigentlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme hinaus. Sollen während des Prozesses etwa auf Kundenwunsch andere Schutzeinrichtungen installiert werden, haben sich die räumlichen Gegebenheiten verändert oder ist neues Wissen verfügbar, macht dies Änderungen an der Maschine erforderlich und alle Schritte müssen erneut durchlaufen werden. Der Prozess endet erst mit dem finalen Inverkehrbringen der Maschine, wenn der Hersteller die Konformitätserklärung abgibt und damit erklärt, dass alle Anforderungen der Richtlinien erfüllt wurden und die Maschine sicher ist.
Das Verfahren der Risikominderung
Die Risikobeurteilung nach EN ISO 12100:2010 umfasst folgende Schritte: Es werden die Grenzen der Maschine bestimmt, Gefährdungen identifiziert, eine Risikoeinschätzung vorgenommen und eine Risikominderung angestrebt. Diese folgt dem 3-Stufen-Verfahren (EN ISO 12100).
· Der erste Schritt des 3-Stufen-Verfahrens ist die inhärent sichere Konstruktion der Maschine. Änderungen können also nur während der Konstruktionsphase berücksichtigt werden bzw. erfolgen. Eine geometrische Gestaltung der Maschine, die Einsehbarkeit der Arbeitsbereiche oder adäquate Zugänge für Reinigung und Instandhaltung gewährleisten unter anderem eine solche sichere Konstruktion. Geeignete Werkstoffe sind ein weiterer Faktor. Darüber hinaus zielt eine sichere Konstruktion auch auf die Minimierung von Lärm und Emissionen wie Vibrationen ab.
· Im zweiten Teil des 3-Stufen-Verfahrens werden technische und ergänzende Schutzmaßnahmen eingesetzt, wenn die Maßnahmen in Stufe eins nicht ausreichen. Dazu gehören Zäune, Lichtgitter, Laserscanner, Türkontaktschalter und Abdeckungen.
· Die dritte Stufe umfasst die Benutzerinformation, um Rest-Gefährdungen mitzuteilen. Typische Maßnahmen sind zum Beispiel Betriebsanleitung, Piktogramme, persönliche Schutzausrüstung und nicht zuletzt eine Schulung der Mitarbeitenden.
Die richtige Schutzeinrichtung für Maschinen in den Normen finden
In der Regel greifen Konstrukteure auf einen großen Erfahrungsschatz zu, wie sich Gefährdungen absichern lassen. Nun reicht Erfahrung aber nicht immer aus, denn die Technik schreitet voran - Maschinenbauer müssen also auf dem Laufenden bleiben. Das gelingt durch die Lektüre der Normen. Sie beinhalten den Stand der Technik und geben Hinweise, um die richtige Art der Schutzeinrichtung auszuwählen und fachgerecht zu installieren.
Die Norm EN ISO 12100:2010 weist zum Beispiel bei Gefährdungen durch bewegliche Kraftübertragung zwei Möglichkeiten aus: zum einen feststehende, trennende Schutzeinrichtungen oder verriegelte, bewegliche trennende Schutzeinrichtungen mit oder ohne Zuhaltung mit automatischer Überwachung. Die Zuhaltung hängt dabei von der Nachlaufzeit des Systems ab. Gemäß EN ISO 14119:2013 sind verriegelte, trennende Schutzeinrichtung mit Zuhaltung notwendig, wenn die Nachlaufzeit die Zugangszeit übersteigt.
EN ISO 14120:2015 und EN ISO 13857:2008 für feste und bewegliche Schutzeinrichtungen
Für bewegliche und feste Schutzeinrichtungen reicht der Blick in die EN ISO 14120:2015 – „Sicherheit von Maschinen“ mit ihren Anforderungen an Gestaltung und Bau von feststehenden, trennenden Schutzeinrichtungen nicht aus. Darüber hinaus muss die EN ISO 13857:2008 berücksichtigt werden, die die Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen festlegt. Die Vorgaben sind genau. Sicherheitszäune müssen zum Beispiel dunkel gestrichen werden – denn helle Zäune können den Blick verstellen und behindern, erschweren die Maschinenbeobachtung und erhöhen damit die Unfallgefahr. Außerdem müssen Schutzmaßnahmen gewissen physikalischen Einflüssen standhalten können: Läuft ein Mensch dagegen – gerechnet wird mit einem Gewicht von 90 Kilogramm und Schrittgeschwindigkeit (1,6 m/s) –, darf der Zaun nicht umfallen. Das sollte über einen Test mit Prüfvorrichtung nachgewiesen werden. Wir von CE-CON messen vor Ort zum Beispiel auch nach, ob man in den Gefahrenbereich fassen kann oder ob Zäune und Lichtgitter das verhindern. Die notwendigen Abstände hängen dabei von der Höhe des Gefährdungsbereichs und der Schutzeinrichtung ab. Auch bei optischen Schutzeinrichtungen muss der Sicherheitsabstand gemäß EN ISO 13855:2010 berücksichtigt werden. In seine Berechnung fließen Annäherungsgeschwindigkeit, Nachlaufzeit des gesamten Systems von der Auslösung bis zur stillsetzenden Bewegung sowie Eindringtiefe ein. Mit den Abständen der Lichtstrahlen von Lichtgittern als optischer Schutzeinrichtung steigt oder sinkt der Eindringabstand.
Schutzeinrichtungen kombinieren
Sicherheitseinrichtungen setzen sich in der Regel aus verschiedenen Maßnahmen zusammen: In einem Schutzzaun gibt es etwa einen Türkontaktschalter, der mit Zuhaltung versehen ist, und dazu kommt abhängig von den Maschinenteilen und der Bewegungsart eine Stillstandsüberwachung. Diese Kombinationen der Schutzeinrichtung erlauben es, maschinenspezifisch die beste Lösung zu finden. Und auch Kundenwünsche können damit berücksichtigt werden. Diese stehen mit Anforderungen wie Zeitersparnis und kurzen Stillstandzeiten der Sicherheit manchmal entgegen. Die Flexibilität bei der Auswahl der Schutzeinrichtungen macht es zum Beispiel möglich, dass in der Produktion statt einem Türschalter ein Fußpedal installiert wird. Dann hat der Mitarbeitende die Hände frei. Deswegen ist es wichtig, dass Maschinenbauer in enger Abstimmung mit ihren Kunden entwickeln und konstruieren. Damit können die besten Möglichkeiten früh entdeckt und nachträgliche, teure Änderungen vermieden werden.
Schutzeinrichtungen sind Änderungen unterworfen
Nun bleibt es aber nicht bei der Erstauswahl: Veränderungen von Schutzeinrichtungen sind im Lauf eines Maschinenlebens gang und gäbe. Werden Schutzmaßnahmen als störend wahrgenommen, kann es schnell mal passieren, dass Bediener und Instandhaltung sie inoffiziell anpassen. Nun wirken sich diese Änderungen von Schutzeinrichtungen auf die Maschinensicherheit aus – kommt es zum Schaden, hat das Unternehmen ein Problem. Sie dürfen deswegen nicht spontan erfolgen, sondern müssen geplant und dokumentiert werden. Auch der Hersteller der Maschine muss im Schadensfall nachweisen können, welche Sicherheitseinrichtungen installiert wurden. Bei einer Änderung der Maschine muss der Betreiber prüfen, welche Schutzeinrichtungen in Frage kommen und eine Risikobetrachtung mit Wirksamkeitsprüfung durchführen. Dazu gehört auch, die Nachlaufzeit der Maschine zu berechnen; bei Schutzeinrichtungen, die die funktionale Sicherheit betreffen, muss das Performance Level bestätigt werden. Das erwartete Performance Level ergab sich aus der Risikobeurteilung. Außerdem wird eine Überarbeitung der Risikobeurteilung notwendig.
Fazit
Für Neubauten wie Umbauten von Maschinen brauchen Konstrukteure genaue Kenntnisse der Normen und damit vom aktuellen Stand der Technik. Damit können sie die notwendigen Schutzeinrichtungen und deren Umsetzung im Detail bestimmen. Wichtig: Die besten Lösungen finden sich stets in Abstimmung mit dem Kunden, denn dessen Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden.