Normarbeit, Arbeitskreis, DKE – seit ein paar Wochen bin ich Teil des Teams, Teil der eingeschworenen Gemeinschaft, die sich mit der Erstellung von Normen beschäftigt. Berührungspunkte hatte ich vorher zahlreiche. Normen sind schließlich Teil unseres Berufsalltags. Ich bin durchaus im Bilde, was es mit Normen auf sich hat. Und wie wir mit EU-Richtlinien arbeiten sollten. Aber mein Wissen scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Zeit, sich mit den Themen intensiver zu beschäftigen. Ich lade meine Leser in den nächsten Blogbeiträgen auf eine Reise in die Welt der Normen und Richtlinien ein. Gemeinsam erkunden wir die rechtlichen Hintergründe, die Entstehung von Normen, die Aufteilung in ABC, die verschiedenen Kommissionen, Arbeitsgruppen und Gemeinschaften und die Hintergründe. Verschaffen wir uns erstmal einen vereinfachten Überblick aus deutscher Sicht (und ohne Jurastudium).
Die Gesetze
Das Grundgesetz habe ich in der Schule kennengelernt. Mir schien der Vergleich mit Moses und seinen 10 Geboten damals nicht abwegig. Denn hier sind Grundregeln enthalten, die dafür sorgen, dass wir unseren Ehepartner selbst aussuchen dürfen, dass der Nachbar meine Briefe nicht lesen darf und dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Werden diese Gesetze nicht eingehalten, sind Strafen vorgesehen. Das Grundgesetz regelt unser soziales Miteinander. Wie die 10 Gebote in der Bibel. Mit dem Grundgesetz soll jeder Mensch geschützt werden, ob gegen Sklavenarbeit oder Freiheitsberaubung. Jedem wird klar sein, dass das Grundgesetz eingehalten werden MUSS. Es ist verpflichtend. Gesetze, egal ob Grundgesetz oder Produktsicherheitsgesetz, müssen also eingehalten werden.
Die EU-Richtlinien
Deutschland ist Teil der EU. Um das Zusammenleben, den Handel und die Wirtschaft innerhalb der EU zu organisieren, gibt es europäische Richtlinien. Und davon gibt es zahlreiche, wie die Produktsicherheitsrichtlinie, Ökodesign-Richtlinie und die Maschinenrichtlinie. In den Richtlinien sind Mindestanforderungen genannt, die z.B. für die Herstellung und das Verkaufen von Produkten wie Teddybären oder Bauklötzen (Spielzeugrichtlinie) erfüllt werden müssen. Die EU-Richtlinien müssen von den EU-Staaten in nationales Recht umgewandelt werden. Das bedeutet, Deutschland muss ein Gesetz erlassen. Für die europäische Maschinenrichtlinie gibt es zum Beispiel eine Maschinenverordnung. Inhaltlich gibt die Verordnung die Vorgaben der EU-Richtlinie wieder. Diese Rechtsverordnung ist einem Gesetzt angegliedert - dem Produktsicherheitsgesetz. So lautet die volle Bezeichnung der nationalen Umsetzung der europäischen Maschinenrichtlinie „Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) (9. ProdSV)“. Durch die Angliederung an ein Gesetz (welches ja eingehalten werden muss) ist die Verordnung bindend und muss entsprechend erfüllt werden.
Die Verordnungen
Die Maschinenverordnung haben wir gerade kennengelernt. Diese Verordnung gilt nur auf Bundesebene, also nur in Deutschland. Die einzelnen Verordnungen dürfen von befugten Stellen der jeweiligen Bundesministerien erlassen werden. Es gibt aber auch Verordnungen der EU (nur, damit die Verwirrung noch etwas größer wird). Im Gegensatz zu den EU-Richtlinien haben die EU-Verordnungen unmittelbare Gültigkeit innerhalb der Mitgliedsstaaten und müssen nicht erst in nationales Recht umgewandelt werden. Die EU-Verordnungen müssen also eingehalten werden, auch wenn kein nationales Gesetz vorhanden ist. Eigentlich sollen die EU-Verordnungen das Leben und besonders den Handel in der EU regeln, vereinheitlichen und damit erleichtern. Bei der sogenannten Gurkenverordnung ist man wohl über das Ziel hinausgeschossen. Die 1988 verabschiedete Verordnung sollte unter anderem über die Krümmung der Gurke die Güteklasse einteilen. Was sich nach bürokratischem Wahnsinn anhört, wird auch heute noch von entsprechenden Händlern beachtet, obwohl die Verordnung seit 2009 außer Kraft gesetzt ist.1 Denn letztendlich kann nur fairer Wettbewerb stattfinden, wenn man Äpfel nicht mit Birnen vergleicht (oder in dem Fall krumme Gurken mit geraden Gurken). Neben der Gurkenverordnung wird im Moment die Datenschutz-Grundverordnung wohl jedem ein Begriff sein. Auch die DSGVO ist eine EU-Verordnung und musste nicht erst in deutsche Gesetzestexte überführt werden. Die EU-Verordnungen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlich und können von jedem eingesehen werden – im Gegensatz zu Normen, welche gekauft werden müssen.
Die Normen
Neben den Gesetzen, EU-Richtlinien und Verordnungen gibt es die Normen. Normen können von nationaler Natur sein, wie die sogenannten DIN-Normen. Hierzu zählt auch die bekannte Norm DIN 476, welche die Formate von Papier regelt (z.B. DIN A4). Es gibt aber auch europäische Normen, die sogenannten EN-Normen oder auch internationale Normen, wie die ISO- oder auch IEC-Normen. Normen sind Standards und müssen generell nicht zwingend eingehalten werden, jedoch ist hier auf jede Menge Details wie sogenannte harmonisierte Normen oder die Vermutungswirkung zu achten. Die Erarbeitung von Normen erfolgt durch unterschiedliche Organisationen und Fachkreise. Auch können Firmen zum Beispiel ihre eigenen Normen erarbeiten und umsetzen. Neben Normen gibt es weitere Regelwerke und Richtlinien wie die VDI-Richtlinien. Im Gegensatz zu den EU-Richtlinien haben z.B. die VDI-Richtlinien Empfehlungscharakter und müssen nicht zwingend eingehalten werden. Wer jedoch die anerkannten Regeln der Technik einhalten möchte, sollte die Normen und Regelwerke nicht ignorieren.
Dies war der erste grobe Überblick über die Welt der Normen und Richtlinien. Tiefgreifendere Informationen zu den einzelnen Themen folgen in Kürze.
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Quellen:
1 (https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EWG)_Nr._1677/88_(Gurkenverordnung))