Derzeit steht in den USA ein großer Anbieter für Fitness-Geräte im Fokus der Öffentlichkeit. Bei der privaten Benutzung von Laufbändern seien laut Medienberichten mehrfach Kinder stark verletzt worden. In dem schlimmsten Fall hätte ein Kind die Verletzungen nicht überlebt. Ein Video, welches von der amerikanischen „U.S. Consumer Product Safety Comission“ (CPSC) veröffentlicht wurde, zeigt ein Kind, welches vom Laufband teilweise bis unter das Sportgerät gezogen wird. Mich als Mutter stimmt es nachdenklich. Mit Interesse verfolge ich die Berichterstattungen der Medien. Wollten die Eltern sich in Corona- und Stay-Home Zeiten einfach fit halten, müssen sie nun vielleicht ihr Kind im Krankenhaus besuchen. Ein schweres Schicksal.Die Schuldfrage
Die CPSC warnt aufgrund der Unfälle derzeit vor der Benutzung des besagten Laufbandes. Laut Medienberichten weist der Hersteller die Vorwürfe zurück. Die Begründung lautet in etwa, dass aus den Sicherheitshinweisen klar hervorgehe, dass Kinder von dem Gerät fernzuhalten sind. Außerdem seien viele Unfälle durch Spielen mit Bällen auf oder neben dem Gerät geschehen, was nicht der bestimmungsgemäßen Verwendung entspricht. Daher möchte der Hersteller die Laufbänder Stand heute nicht aus dem Verkehr nehmen. Erstmal einleuchtend. Sind dann die Eltern selbst schuld an den Verletzungen des Kindes, weil sie das Gerät nicht gesondert eingeschlossen haben? Mir steht eine rechtliche Beurteilung des Falles nicht zu, da ich weder die genauen Fakten und Umstände kenne noch eine juristische Ausbildung habe oder die amerikanischen Gesetze im Detail gelesen habe. Aber eine fachliche Meinung zum prinzipiellen Bereitstellen von Produkten auf EU-Ebene darf ich kundtun.
Sicherheits- und Warnhinweise als letztes Mittel
Sicherheits- und Warnhinweise sollten immer das letzte Mittel zur Vermeidung von Gefahren sein. Dies gilt nicht nur für Maschinen gemäß Maschinenrichtlinie, sondern generell für alle Produkt-Arten. Statt an Metallschränken vor Schnittgefahr zu warnen, sollten die Kanten entgratet werden. Statt vor Quetschgefahr zu warnen, sollten die kritischen Stellen an der Maschine durch Umhausungen oder Zäune unzugänglich gemacht werden. Um die möglichen Gefahren zu erkennen, muss für das betroffene Produkt eine Risikobeurteilung oder Vergleichbares durchgeführt werden. Dadurch können kritische Punkte erkannt werden. Das Beheben der kritischen Stellen sollte im ersten Schritt immer konstruktiv gelöst werden. Das bedeutet, ein Produkt soll in sich so sicher wie möglich konstruiert werden.
Sichere Konstruktion durch Risikobeurteilung
Im Fall des besagten Fitnessgeräts könnte eine Einhausung des Laufbandes außerhalb der Lauffläche sinnvoll sein, somit sind zwar weiterhin Verletzungen möglich, aber ein Mitziehen des Kindes bis unter das schwere Gerät weitestgehend ausgeschlossen. Nun könnte man argumentieren, dass Kinder gar nicht in die Nähe des Laufbandes kommen sollten, geschweige denn, selbst auf dem Laufband laufen. Selbstverständlich sollten Eltern darauf achten, dass die Kinder ein Laufband nicht als Spielzeug missbrauchen oder allein nutzen. Aber einen kompletten Ausschluss der Risikogruppe Kind ist in häuslicher Umgebung nicht realistisch und sollte daher auch in der Risikobeurteilung betrachtet werden, zumal sich viele Menschen platztechnisch wohl kaum einen separaten Fitnessraum leisten können und das Laufband wahlweise im Gästezimmer oder Schlafzimmer aufbauen müssen. Ein Laufband birgt immer Gefahren, aber einige sind vermeidbar. Und diesen Ansatz sollte jeder Hersteller bei der Entwicklung seiner Produkte verfolgen.
Die Produktbeobachtungspflicht
Falls ein Hersteller trotz der Risikobeurteilung die mögliche Gefahr nicht erkannt hat und sein Produkt bereits verkauft, sollte er spätestens bei der mehrfachen Meldung von Unfällen im Umgang mit seinem Produkt tätig werden. Bei uns regelt die Produktbeobachtungspflicht diesen Vorgang. Sobald gefährliche Mängel aus dem Markt gemeldet werden, muss sich der Hersteller Gedanken machen, woraus die Mängel resultieren und ob und wie er diese Mängel beheben kann. Vom Discounter um die Ecke kennen wir alle die Rückrufaktionen von diversen Produkten, angefangen beim Käse, der Metallsplitter enthalten kann, bis zum Smartphone, dessen Akku spontan explodieren kann. Diese Rückrufaktionen entstammen in der Regel der Produktbeobachtungspflicht. Unser Laufbandhersteller müsste also tätig werden, ggf. Rückrufaktionen durchführen und sein Produkt sicherheitstechnisch verbessern, um eine sichere Benutzung – auch in Haushalten mit Kindern – zu ermöglichen.
Um solche Unfälle zu vermeiden und Maschinen sicher auf den Markt zu bringen, ist die Durchführung einer Risikobeurteilung unumgänglich. Wir beantworten Ihnen die wichtigsten Frage rund um die Risikobeurteilung auf unserer Sonderseite "Risikobeurteilung von A bis Z". Schauen Sie mal rein!