Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

CE-Kennzeichnung und Produktsicherheit beim 3D-Druck

Erstellt von Stephan Grauer am 27.10.25 12:34

 

Der 3D-Druck bzw. die so genannte additive Fertigung von Produkten hat sich in den letzten Jahren immer mehr etabliert. Inzwischen werden nicht nur Einzelstücke für den privaten Gebrauch gefertigt. Die Produktpalette reicht von Spielwaren in geringer Stückzahl bis hin zu industriellen Bauteilen - auch in größeren Serien - für professionelle Anwendungen beispielsweise im Maschinen- oder Fahrzeugbau.

Dabei stellt sich die Frage, welchen rechtlichen Anforderungen die Produkte aus dem 3D-Drucker eigentlich unterliegen. Gibt es hier Besonderheiten oder greifen die allgemeinen Vorschriften? Diese Fragen sollen im Hinblick auf die Produktsicherheit und CE-Kennzeichnung im Folgenden beantwortet werden.

 

CE-Kennzeichnung für 3D-Produkte

Produktbegriff

Der Produktbegriff im Rahmen der CE-Kennzeichnung ist sehr weit gefasst. Der Begriff „Produkt“ wird in den verschiedenen CE-Vorschriften der Union unterschiedlich verwendet. Die unter die Rechtsvorschriften fallenden Gegenstände werden beispielsweise als Produkte, Ausrüstungen, Apparate, Geräte, Einrichtungen, Instrumente, Stoffe, Vorrichtungen, Ausrüstungsteile oder Ausrüstungsteile mit Sicherheitsfunktion, Einheiten, Elemente, Zubehörteile, Systeme oder unvollständige Maschinen bezeichnet. (sh. Blue Guide 2022, 2.1. Erfasste Erzeugnisse).

Was aber ganz egal ist, ist die Art und Weise der Fertigung von Produkten. D.h. ob Produkte konventionell hergestellt werden oder mittels additiver Fertigung, spielt keine Rolle für den Produktbegriff im Rahmen der CE-Vorschriften.

Hersteller

Die CE-Vorschriften verpflichten den Hersteller eines Produkts, die wesentlichen Anforderungen einzuhalten.

Im 3D-Druck sind oftmals verschiedene Akteure mit dabei: Z.B. der Betreiber des 3D-Druckers, der Ersteller der 3D-Datensätze oder ein Auftraggeber, der die beiden anderen beauftragt hat.

Im Sinne der CE-Vorschriften gibt es aber immer nur einen Hersteller:
Als Hersteller wird diejenige natürliche oder juristische Person bezeichnet, die ein Produkt herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet.

Damit ist ist also derjenige in der Pflicht, der das Produkt druckt. Außer er ist nur die verlängerte Werkbank für jemanden, der das gedruckte Produkt unter seinem Namen oder seiner Marke vertreibt.

Anwendungsbereich

Bei der Frage, unter welche CE-Vorschriften ein 3D-Produkt fällt, ist wie bei konventionellen Produkten zu prüfen, ob es in den Anwendungsbereich einer CE-Vorschrift fällt oder ob es auf Grund seiner Eigenschaften von diesem ausgeschlossen ist.

Deswegen sind - je nach Art des 3D-Produkts - zunächst ganz verschiedene CE-Vorschriften denkbar, z.B.

  • Spielzeuge (Richtlinie 2009/48/EG)
  • Medizinprodukte (Verordnung (EU) 2017/745)
  • Maschinen (Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bzw. Maschinenverordnung (EU) 2023/1230)
  • Druckgeräte (Richtlinie 2014/68/EU) oder
  • Bauprodukte (Bauproduktenverordnung (ab dem 8. Januar 2026 gilt VO (EU) 2024/3110)

Spielzeug

Im Internet finden sich vielfältige Angebote von Spielzeug aus dem 3D-Drucker. Für Produkte, die dazu bestimmt oder gestaltet sind, von Kindern unter 14 Jahren für den Gebrauch beim Spielen verwendet zu werden, gilt derzeit die Richtlinie 2009/48/EG.

Obacht: Das schließt nicht nur Produkte ein, die ausschließlich dazu bestimmt sind, sondern auch solche die auch als Spielzeug verwendet werden können, obwohl das nicht die ausschließliche Funktion ist, z.B. Figuren an Schlüsselanhängern.

In diesem “Graubereich” gilt es gut aufzupassen. Wer z.B. Sammlerfiguren oder Modelle druckt, muss prüfen, ob das vielleicht auch als Spielzeug eingeordnet wird.

Mehr dazu finden Sie hier: Guidance

Die aktuelle Spielzeugrichtlinie soll übrigens demnächst durch eine neue Spielzeugverordnung ersetzt werden. Dann soll auch ein digitaler Produktpass für Spielzeug eingeführt werden.

Medizinprodukte

Unter die Maschinenrichtlinie fallen nicht nur “klassische” Maschinen mit kraftbetätigten beweglichen Teilen, sondern auch Produkte wie Ketten, Seile und Gurte oder Lastaufnahmemittel wie z.B. C-Haken. Wer solche Produkte druckt, muss prüfen, ob sie in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie oder zukünftig der Maschinenverordnung fallen.

Einzelheiten und Beispiele finden sich im Leitfaden zur Maschinenrichtlinie unter § 412.

DocsRoom - European Commission

Druckgeräte

Die Herstellung von Druckgeräten im Sinne der Richtlinie 2014/68/EU ist grundsätzlich sehr interessant für den 3D-Druck. Sie fordert den Hersteller im Rahmen der additiven Fertigung in der Regel aber gleich doppelt: Zum einen wird aus dem Druckmaterial ein “Werkstoff” hergestellt, der bestimmten Kriterien entsprechen muss, und zum anderen sind die Anforderungen aus der Richtlinie selbst einzuhalten.

Bauprodukte

Die neue Bauproduktenverordnung (gilt ab dem 8. Januar 2026 VO (EU) 2024/3110) ist die erste CE-Vorschrift, die 3D-Produkte explizit erwähnt (Artikel 3 und 22). Sie tut dies, um klarzustellen, dass durch den 3D-Druck die Anforderungen an Bauprodukte nicht umgangen werden dürfen. Außerdem wird definiert, wer als Hersteller eines 3D-gedruckten Bauprodukts gilt und für was er verantwortlich ist:

“Eine natürliche oder juristische Person, die ein Produkt mit 3D-Druck herstellt, muss die Verpflichtungen erfüllen, die Herstellern beim Inverkehrbringen obliegen. Die Verpflichtungen umfassen unter anderem die Verwendung geeigneter 3D-Datensätze, die Verwendung von Materialien, die den geltenden Verfahren gemäß dieser Verordnung entsprechen, sowie die Überprüfung der Kompatibilität von 3D-Datensätzen, Druckmaterial und der verwendeten Drucktechnik. (Art. 22 Abs. 1)”

L_202403110DE.000101.fmx.xml

CE-Prozess

Für alle Produkte, die in den Anwendungsbereich einer CE-Vorschrift fallen, sind die wesentlichen Anforderungen und die möglichen Konformitätsbewertungsverfahren in diesen Vorschriften geregelt.

Grundsätzlich läuft dieser Prozess wie folgt ab:

  • Anwendungsbereich prüfen
  • Ausnahmen prüfen
  • Konformitätsbewertungsverfahren klären (Ist eine benannte Stelle nötig?)
  • Wesentliche Anforderungen einhalten
  • Anforderungen aus Normen prüfen
  • Risikobeurteilung durchführen
  • Technische Unterlagen erstellen
  • Betriebsanleitung erstellen
  • Konformitätserklärung erstellen
  • CE-Kennzeichnung anbringen

Zum Thema Konformitätsbewertungsverfahren:

Je nach Art des Produkts führt der Hersteller den Prozess entweder alleine durch (Interne Fertigungskontrolle - Modul A) oder er muss eine benannte Stelle einschalten, z.B. zur Baumusterprüfung oder zur Prüfung eines umfassenden Qualitätssicherungssystems.

Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren, z.B.

  • der Anwendung von harmonisierten Normen (z.B. EN 71 für Spielzeug)
  • der Kategorie eines Druckgeräts oder
  • der (Risiko-)Klasse bei Medizinprodukten.Anwendung der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (EU) 2023/988

Anwendung der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (EU) 2023/988

Aber auch dann, wenn ein Produkt nicht in den Anwendungsbereich einer CE-Vorschrift fällt, kann es europäischem Produktsicherheitsrecht unterliegen. Seit dem 13.12.2024 gilt die Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (EU) 2023/988 für alle Verbraucherprodukte, die am Markt bereitgestellt werden.

Wenn also das 3D-Produkt für Verbraucher bestimmt ist, dann muss der Hersteller diese Vorschrift beachten. Und das gilt auch dann, wenn die Produkte unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt werden, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind! Und das ist gerade beim Online-Vertrieb von 3D-Produkten nur schwer auszuschließen.

Weitere Informationen zu den Anforderungen der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (EU) 2023/988 finden Sie hier: Neue EU-Produktsicherheitsverordnung: Was Hersteller und Importeure beachten müssen

Wichtig: Gerade die Aufbewahrungspflichten, aber auch das Management von Beschwerden und Reklamationen sind Aufgaben, die über einen längeren Zeitraum fortdauern, auch wenn keine Produkte mehr aktiv vertrieben werden. Deswegen sollten sich Hersteller von 3D-Produkten bewusst machen, welche Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen sich aus einem Markteintritt ergeben. Der 3D-Druck bewirkt hier keine Vergünstigung oder Vereinfachung bei den Produktsicherheitsanforderungen.

Bisher nicht geregelte Produkte (z.B. auch industrielle Bauteile für Maschinen)

Fällt ein 3D-Produkt nicht unter die CE-Vorschriften und auch nicht unter die Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (EU) 2023/988, dann greifen erstmal keine europäischen Produktsicherheitsvorschriften. Das gilt auch für additiv gefertigte industrielle Bauteile, die z.B. in Maschinen oder Fahrzeugen eingesetzt werden sollen.

Mithin also für einen sehr lukrativen Markt, bei dem der 3D-Druck viele seiner Vorteile einbringen kann: Herstellung von Klein- oder Kleinstserien, keine Lagerkosten, trotzdem schnelle Verfügbarkeit usw.

Da es keine “gesetzlichen” Produktsicherheitsanforderungen für diese Produkte gibt, haben sich inzwischen Normen, Testverfahren und Zertifizierungen etabliert, die sowohl für den 3D-Drucker als auch für den Kunden Vorteile bieten:

Der Kunde kann über die Zertifizierung die tatsächlichen Fähigkeiten der Bauteillieferanten überprüfen.
Der Bauteillieferanten kann Industrieaufträge erhalten. Die Nachweise durch Tests und Zertifizierung sorgen so für einen erfolgreichen Übergang vom reinen Prototyping zur (industriellen) Additiven Fertigung (AM) im Serienfertigungskontext.

Angebote des TÜV NORD für Prüfungen und Qualitätssicherung

  • Zertifizierte Managementsysteme
  • Mechanisch-technologische Tests (https://www.iam-approved.com/) wie beispielsweise
  • Kerbschlagbiegeversuch nach DIN EN ISO 148-1
  • Zugversuch gemäß DIN EN ISO 6892-1
  • Vormaterialprüfungen
  • Bauteilbezogene Prüfungen
  • Zertifizierung der additiven Fertigungsprozesse - Herstellerzertifizierung (DIN EN ISO/ASTM 52920)
    Additive Fertigung (Additive Manufacturing)

CE-CON - Ihr Ansprechpartner rund um Produktsicherheit und CE-Kennzeichnung

Sie suchen Unterstützung bei der Recherche von CE-Vorschriften und Normen oder der Erstellung der notwendigen technischen Dokumentation wie Risikoanalysen oder Betriebsanleitung.

Oder Sie haben konkrete Fragen zur Einordnung Ihrer 3D-Produkte unter CE-Vorschrift oder zu den Herstellerpflichten gemäß Produktsicherheitsverordnung?

Kommen Sie gerne einfach auf uns zu. Wir unterstützen Sie gerne!

E-Mail: vertrieb@ce-con.de




 

 

 

Themen: CE-Kennzeichnung / Konformitätserklärung, Maschinenrichtlinie / Maschinenverordnung, Richtlinien und Normen

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