Wenn im Zusammenhang mit EU-Vorschriften derzeit der Begriff „Omnibus-Paket“ fällt, dann geht es nicht um den öffentlichen Nahverkehr. Vielmehr will die EU-Kommission mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen unnötige Bürokratie abbauen und ein regulatorisches Umfeld schaffen, das Innovation, Wachstum, hochwertige Arbeitsplätze und Investitionen fördert. Die Maßnahmen erstrecken sich von Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung über eine Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik bis hin zu Ausnahmen im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für kleinere Unternehmen.
Auch die CE-Kennzeichnungsvorschriften werden im Rahmen von „Omnibus IV“ angepasst.
Konkret geht es dabei um folgende Vorschläge für Verordnungen und Richtlinien:
- COM(2025)503 - Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives [...] as regards the digitalisation and alignment of common specifications und
- COM(2025)504 - Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations [...] as regards digitalisation and common specifications
Diese Dokumente sind nicht einfach zu lesen, da mit Ihnen eine Vielzahl von CE-Richtlinien und Verordnungen punktuell geändert und ergänzt werden.
Zu diesen Vorschriften gehören folgende CE-Richtlinien:
· 2000/14/EG – Lärmschutz-Richtlinie
· 2011/65/EU – RoHS-Richtlinie
· 2013/53/EU – Sportbootrichtlinie
· 2014/29/EU – Einfache Druckbehälter
· 2014/30/EU – EMV-Richtlinie
· 2014/31/EU – Nichtselbsttätige Waagen
· 2014/32/EU – Messgeräterichtlinie
· 2014/33/EU – Aufzugsrichtlinie
· 2014/34/EU – ATEX-Richtlinie
· 2014/35/EU – Niederspannungsrichtlinie
· 2014/53/EU – Funkanlagenrichtlinie
· 2014/68/EU – Druckgeräterichtlinie
· 2014/90/EU – Schiffsausrüstungsrichtlinie
Sowie folgende CE-Verordnungen:
· (EU) 765/2008 – Akkreditierung und Marktüberwachung
· (EU) 2016/424 – Seilbahnen
· (EU) 2016/425 – Persönliche Schutzausrüstungen
· (EU) 2016/426 – Gasgeräteverordnung
· (EU) 2023/1230 – Maschinenverordnung
· (EU) 2023/1542 – Batterieverordnung
· (EU) 2024/1781 – Ökodesign-Verordnung
Ja, richtig gelesen. Auch die neue Maschinenverordnung soll geändert werden, noch bevor sie am 20.1.2027 anzuwenden ist.
Folgende Änderungen und Neuregelung sind vorgesehen:
Von Papier zu digital
Grundsätzlich will die EU-Kommission das Prinzip „standardmäßig digital“ vorantreiben. In den CE-Vorschriften fehlt dieser Grundsatz bisher aber – im Gegenteil: Es wird sogar in der Regel die Verwendung des Papierformats erwartet!
In den Fragen und Antworten zu Omnibus IV formuliert die EU-Kommission ihre Ziele wie folgt:
„Die Abschaffung verbindlicher Papieranforderungen wird die Behörden dazu ermutigen, ihre Bearbeitung von Einreichungen oder Meldungen durch Unternehmen zu überdenken. Die Straffung dieser Einreichungen und Berichterstattung durch die Förderung von Digital-by-Default wird neue Anreize schaffen, in die Datenerhebung und -verarbeitung mit eGovernment-Lösungen zu investieren. Dies kann den Weg zu einem papierlosen Binnenmarkt ebnen, der auf interoperablen strukturierten Daten und dem Grundsatz der einmaligen Erfassung beruht.“
Für die CE-Vorschriften heißt das konkret:
-
Aufnahme eines „digitalen Kontakts“ in die Herstellerinformationen
-
Digitalisierung der EU-Konformitätserklärung
-
Integration der Konformitätserklärung in den digitalen Produktpass
-
Betriebsanleitungen können in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden
-
Digitaler Austausch mit den zuständigen nationalen Behörden und zwischen den Wirtschaftsakteuren
Das Ziel, den CE-Prozess digitaler zu gestalten, ist sicherlich gut gemeint. Ob die Regelungen auch gut gemacht sind und in der Praxis die gewünschte Vereinfachung bringen, muss sich aber erst noch zeigen.
Beispiel digitale Betriebsanleitung: Diese ist jetzt grundsätzlich möglich. Es gilt z.B. für die EMV-Richtlinie 2014/30/EU:
„paragraph 7 is replaced by the following: ‘7. Manufacturers shall ensure that the apparatus is accompanied by instructions and the information referred to in Article 18, in a language which can be easily understood by consumers and other end-users, as determined by the Member State concerned. The instructions and information referred to in Article 18 may be provided in electronic form. Such instructions and information, as well as any labelling, shall be clear, understandable and intelligible.”
D.h. die digitale Betriebsanleitung ist möglich. Gleichzeitig gelten aber auch einige Anforderungen, die eine solche digitale Anleitung erfüllen muss. Sie muss z.B.
· herunterladbar und druckbar sein,
· mindestens 10 Jahre lang online verfügbar sein,
· im B2C-Bereich oder bei so genannten Migrationsprodukten: u.U. teilweise auf Papier und
· auf Wunsch des Kunden bis 6 Monate nach Kauf als Papierversion geliefert werden.
Diese Regelung ist ähnlich zu der, die auch in der neuen Maschinenverordnung vorgesehen ist. Ob das wirklich praxistauglich ist und ob das kleinere Unternehmen auch einfach leisten können und wollen, wird sich zeigen.
Gemeinsame Spezifikationen statt harmonisierten Normen
Ebenfalls schon aus der neuen Maschinenverordnung bekannt ist das Instrument der „Gemeinsamen Spezifikationen“. Damit schafft sich die EU-Kommission eine „rechtlich anerkannte Ausweichoption“ für die Fälle, bei denen harmonisierte Normen zur Umsetzung einer wesentlichen Anforderung bei CE-Vorschriften fehlen. Sie kann mit den Gemeinsamen Spezifikationen Regelungen erlassen, deren Anwendung dann auch die Konformitätsvermutung auslösen – so wie sonst bei der Anwendung harmonisierter Normen.
Digitaler Produktpass (DPP)
Der digitale Produktpass wird zwar (noch) nicht direkt in den bestehenden CE-Vorschriften eingeführt. Aber er wird dort schon mal erwähnt und es gilt z.B. für die Niederspannungsrichtlinie:
„‘5. Where other Union legislation applicable to electrical equipment requires the economic operator to include the information that the product complies with the requirements set out in that legislation in a digital product passport or to upload the EU declaration of conformity or instructions in a digital product passport, the information required in Annex IV to be included in the EU declaration of conformity and the instructions referred to in Article 6(7) shall be provided only in that digital product passport.’;“
D.h. der digitale Produktpass soll zum führenden Instrument für die Sammlung aller CE-relevanten Informationen ausgebaut werden. Sobald er für eine Vorschrift vorgeschrieben ist, sollen dort alle Informationen zusammengeführt werden.
Fazit
Grundsätzlich ist die Idee, die CE-Vorschriften mit mehr digitalen Möglichkeiten auszustatten, durchaus begrüßenswert. Ob die vorgeschlagenen Regeln aber wirklich eine Vereinfachung bringen, darf bezweifelt werden. Gerade bei der digitalen Betriebsanleitung, aber auch beim digitalen Produktpass würde man sich noch mehr Mut wünschen! Derzeit aber erscheint das Omnibus-IV-Paket in diesen Punkten eher mit heißer Nadel gestrickt als wirklich konsequent zu Ende gedacht.
Bleibt zu hoffen, dass im europäischen Gesetzgebungsverfahren noch Verbesserungen eingebracht werden. Dort können das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten noch eingreifen.
Wenn Sie Ihren CE-Prozess schon jetzt digitaler gestalten wollen, dann sprechen Sie uns an. Unsere Fachleute für Maschinensicherheit und Technische Dokumentation unterstützen Sie gern.